Rheinpfalz, 31.8.2020

Von Stefan Otto

Meisterschaft in der Schwarzen Kunst

Olivia Christen aus Dresden geht für drei Wochen bei dem Ludwigshafener Druck- und Graphikkünstler Wolfgang Vogel in die Lehre

„Für mich ist die Zeit hier sehr kostbar“, sagt Olivia Christen. Die 29-jährige Dresdnerin ist für drei Wochen zu Gast in Ludwigshafen, um sich bei dem hiesigen Druck- und Graphikkünstler Wolfgang Vogel Fertigkeiten in der „Schwarzen Kunst“ anzueignen. Mit Magie und Hexenwerk hat das aber nichts am Hut.

Wer bei dem Ausdruck „Schwarze Kunst“ an Okkultismus und Zauberei denkt, liegt völlig falsch. Der Begriff steht vielmehr im Zusammenhang mit Druckgraphik, Typographik und Buchgestaltung. „Verein für die Schwarze Kunst“ heißt denn auch das Bündnis, das Olivia Christen nun von der Elbe an den Rhein zu Wolfgang Vogel geführt hat.
„Ich bin bei Wolfgang, weil er so viele Disziplinen verbindet“, erläutert die junge Sächsin, die sich als freischaffende Künstlerin besonders mit traditionellen Drucktechniken befasst. „Ich möchte mich professionalisieren“, sagt sie und profitiert dabei von einem Stipendium das der genannte Verein vergibt. Dessen erklärtes Ziel ist es, die traditionellen Berufe und das handwerkliche Vermögen der Schriftsetzer, Setzer und Buchdrucker zu bewahren und die Wissensvermittlung an die nachfolgenden Generationen zu unterstützen. Vor zwei Jahren, im 550 Todesjahr des Mainzer Buchdruck-Erfinders Johannes Gutenberg, initiierte er daher die „Walz für Handsatz und Buchdruck“, die Angehörigen künstlerischer Handwerksberufe „Wanderungen“ in derzeit bis zu 17 verschiedene Werkstätten in Deutschland ermöglicht.
Erst neun Stipendien hat der „Verein für die Schwarze Kunst“ bislang vergeben. Eines bekam Olivia Christen, die nun zwei Monate auf der Walz ist. Bei Willi Beck in einer Manufaktur für Bleisatz und Buchdruck in Dachau war sie bereits. Und von Ludwigshafen wird sie in die Graphikwerkstatt Dresden und darauf nach Stralsund oder Weimar weiterziehen. Die längste Zeit, drei Wochen, verbringt sie jedoch bei Wolfgang Vogel, den sie ausgesucht hat, weil sie annimmt, dass sie von ihm besonders viel lernen kann.
„Ich habe alle Entwicklungen in dieser Branche mitgemacht“, berichtet der 66jährige Maudacher und zählt auf: Er war unter anderem Handsetzer, Fotosetzer, Offsetmontierer, Desktop-Publishing-Operator, Mediengestalter und Graphiker. Seit zwei Jahren ist er in Rente und verfügt seit 2012 über eine voll ausgestattete Druckwerkstatt in dem zum Atelierhaus umgebauten ehemaligen TWL-Umspannwerk.

So bietet der gebürtige Speyerer in der Tat beste Voraussetzungen, um den Nachwuchs im Handwerk fortzubilden. Olivia Christen ist die allererste, die bei ihm lernt. In den folgenden Monaten werden 3 weitere Stipendiatinnen ihr nachfolgen. „Überraschenderweise nur Frauen“, wie die erste feststellt. „Ich glaube, Frauen sind da einfach aktiver und kreativer“, vermutet Vogel. Angelehnt an seine Reihe sogenannter „Typoformen“, von ihrer ursprünglichen Funktion befreiten Lettern, möchte er mit Olivia Christen an einer graphischen Umsetzung von Pablo Nerudas „Ode an die Typographie“ arbeiten. Sie alleine sitzt gerade an einem großformatigen Faltblatt mit Karl Valentins „Vereinsrede“ und einer illustrierten Mappe zur Schöpfungsgeschichte der Maya. „Wie ordne ich den Text an, welches Papier, welche Schriftart und -größe wähle ich, und wie kann ich das alles ansprechend typographisch gestalten?“ lauteten die Fragen, die sich bei der Arbeit einstellten, so Christen, die bei ihrer Klärung auch auf Anregungen Vogels setzt. Am Ende, wenn die Walz aller Stipendiaten vorüber ist, solllen ihre Arbeiten im Museum Papiermühle im unterfränkischen Homburg am Main präsentiert werden.
Vorläufig hat Wolfgang Vogel seiner Schülerin auf Zeit einen Schlüssel zu seiner Werkstatt überlassen. Denn während ihres Aufenthalts in der Stadt soll sie hier arbeiten und experimentieren können, wann immer und so lange sie möchte. Olivia Christen, die in Mannheim untergekommen ist, fährt täglich mit dem Fahrrad über den Rhein. Sie findet, Ludwigshafen wie Mannheim, die sie kaum auseinanderhalten könne, hätten einen gewissen Charme, „Industriecharme“. Ganz anders als das barocke Dresden natürlich, aber immerhin einen gewissen Charme.
„Unglaublich viele Rad- und Wanderwege“ hat die junge Handwerkskünstlerin in der Region ausgemacht. Sie wird sie aber kaum abfahren und ablaufen können, weil es ihr nicht um Freizeit, sondern in allererster Linie um die wertvolle Zeit in Wolfgang Vogels Werkstatt geht. Und darum, sodann die hier erworbenen Fertigkeiten in die nächste Werkstatt und das eigene Atelier mitzunehmen.

Rheinpfalz, 14.03.2019

Von Mathias Wagner und Antje Landmann

Ein Hoch aufs schöne Buch!

Die schwarze Kunst ist noch nicht ausgestorben, aber immer weniger Leute wissen wie man ein Buch druckt – Der Schriftsetzer Wolfgang Vogel öffnet sein Atelier

Woran erkennt man ein gutes Buch? Daran, dass die Geschichte einen fesselt – und daran, dass man keine Kopfschmerzen beim Lesen bekommt, weil die Schrift gut gewählt und gesetzt ist. Wenn der Buchdeckel und die Illustrationen dann auch noch verheißungsvoll gestaltet sind, hüpft das Leserherz. Die Jahrhunderte alte Kunst des Buchdrucks war schon totgesagt – lebt aber weiter.

Wissenschaftliche Werke und Ratgeber sind schon an den Digitaldruck verloren gegangen. Und es sah zwischenzeitlich so aus, als würder E-Books die Romane in Taschenbuchformat verdrängen, aber die Verkaufszahlen scheinen zu stagnieren. Zwar lesen weniger Leute Bücher, dafür kaufen diese Bibliophilen mehr – und sind bereit, mehr Geld für schöne Exemplare auszugeben. Die Büchergilde etwa, zu der sich 1924 die Buchdrucker genossenschaftlich zusammengeschlossen hatten, pflegt bis heute in ihren besonderen Editionen die Kunst der Typographie und der Illustration und bringt Klassiker, Weltliteratur und sogar Bestseller wie Elena Ferrantes „Meine geniale Freundin“ heraus. Wer Mitglied ist, verpflichtet sich dafür, vier Exemplare pro Jahr anzunehmen – ein Klacks für regelmäßige Bücherverschenker.

Das die analoge Methode nicht ausgestorben ist, sieht man auch daran, dass ein großer Berliner Verlag einer seiner Auflagen extra in einer alten Druckerei drucken ließ, erzählt der Ludwigshafener Schriftsetzer Wolfgang Vogel, der sein Atelier Slowtype im ehemaligen Umspannwerk eingerichtet hat. „Sie ist vielmehr eine Ergänzung zu den digitalen Werkzeugen“,sagt Vogel. „Es ist Kunst“.

Die Druckkunst ist im vergangenen Jahr ins immaterielle Kulturerbe der Unesco aufgenommen worden, weshalb am morgigen Freitag erstmals zu einem „Tag der Druckkunst“ mit über 240 Veranstaltungen deutschlandweit eingeladen wird. Eine davon in Ludwigshafen.

Damit sich jeder Besucher ein Bild von der Arbeit Vogels machen kann, zeigt er den Weg eines handgesetzten Textes und selbstgefertigten Linolschnitts bis zum fertigen Druck an der FAG-Andruckpresse. „Die Geräte sind einfach origineller als eine Computer-Tastatur“, sagt der gelernte Schriftsetzer im Handsatz. Das Drucken sei immer wieder ein Abenteuer. Deswegen sei ein Besuch gerade für Kinder eine schöne Sache. „Die staunen über die Geräte und sind auf das Ergebnis gespannt“, sagt der Künstler, der an diesem Tag auch sein Wissen weitergeben will. Das fertige Blatt wird Teil einer Mappe, die der Verein für die schwarze Kunst (www.verein-fuer-die-schwarze-kunst.de) mit Drucken aus allen Mitgliedswerkstätten anlegen wird und die man kaufen kann. Besucher dürfen außerdem ein Motiv auf Büttenpapier an einer Anziehnudel drucken und können die Dokumentation „Schrift ist ein Abenteuer“ sehen.

Den Tag der Druckkunst will der Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler als festen Termin im kulturpolitischen Kalender verankern. „Wir möchten uns dadurch vernetzen und das Wissen erhalten“ sagt der 64-jährige Künstler.

Termin: Druckvorführung am Freitag, 15. März von 14 bis 18 Uhr, bei Wolfgang Vogel in der Werkstatt Slowtype im ehemaligen Umspannwerk, Raschigstraße 19a. Bücher CD’s und schöne Dinge der Büchergilde kann man bei Bücher Bender, O4 2 in Mannheim bekommen. Das Programm steht unter www.buechergilde.de

Rheinpfalz, 19.12.2018

Von Mathias Wagner

Perfekt unperfekt

Der Buchdruck-Künstler Wolfgang Vogel stellt derzeit sein zweites Buch „Jetzt bin ich selbst wie König Salomo“ im Ludwigshafener Café Franz und Lissy aus. Darin behandelt er anhand von Holz- und Linolschnitten sowie Auszügen aus den Briefen, die Korrespondenz zwischen Rosa Luxemburg und Sophie Liebknecht.

Mit Garn zusammengebunden liegen sie da, die sogenannten Kolumnen. Sie bestehen aus zusammengesetzten Bleibuchstaben aus dem Setzkasten. Zusammen bilden sie einen Brief von Rosa Luxemburg an Sophie Liebknecht, die Frau Karl Liebknechts. In mühevoller Kleinstarbeit hat Wolfgang Vogel die Lettern plaziert und zu Wörtern und Skizzen geformt. Ein kleiner Fehler könnte die Arbeit zunichte machen.

Auch die Bearbeitung des Holzes für die finalen Bilder kostet den 64-jährigen Künstler viel Zeit und Kraft. Der gelernte Schriftsetzer im Handsatz schnitzt mit seinem Werkzeug Muster in das weiche Holz und schleift es ab. Trotzdem fallen Unfeinheiten auf. „Gerade das Unperfekt macht es einzigartig“, sagt Vogel.

Mithilfe einer Andruckpresse kommt die Farbe aufs Papier. Der Künstler bestreicht die Walzen der Presse mit Farbe und rollt sie mit dem Papier auf den Holzschnitten. Viele Bilder handeln von Natur und Vögeln. Geschützt werden sie durch den Buchdeckel. Dieser wird durch die Buchbindung befestigt. Die japanische Blockbindung ist perfekt geeignet für die Querheftung, die der Künstler für sein zweites Buch bevorzugt. Die ersten Exemplare liegen in seinem Atelier. Stolz präsentiert Vogel ein fertiges Buch. Für ihn ist es eine „Herzensangelegenheit“ nicht nur wegen des Themas, sondern auch weil er das Kulturgut Buch damit unterstützen möchte, sagt der Künstler.

Das fertige Buch und alle darin enthaltenen Schnitte werden bis Montag, 7. Januar, im Café Franz und Lissy in der Lisztstraße 176 ausgestellt. Eines der 50 Exemplare kostet bis zum 19. Januar 180 Euro, anschließend kann man es für 200 Euro erwerben.

Rhein-Neckar Zeitung, 18.09.2018

Mit den eigenen Haaren Bilder gemalt

Im Rahmen der Ausstellung „Ich habe meine Sprache gefunden“ sind im Ladenburger Domhof auch ungewöhnliche Werke zu sehen

Der Ladenburger Kunstverein hat es sich zur Aufgabe gemacht, zeitgenössische Kunst zu zeigen und entsprechende Künstler zu fördern. In der Ausstellung „Ich habe meine Sprache gefunden“, die jetzt von der Vorsitzenden des Kunstvereins, Wiebke Hünermann-Neuert, eröffnet wurde, werden die Werke von 25 Kunstschaffenden gezeigt… Im Anschluss stellte die Vorsitzende des Kunstvereins die Künstler und deren Werke vor. Alle hätten ihren persönlichen Stil gefunden „und sprechen somit ihre eigene Kunstsprache“, meinte Hünermann-Neuert, die sich von der Qualität und Kreativität der Werke begeistert zeigte…..Wolfgang Vogel verarbeitet in seinen Holzschnitten Buchstaben, die keinen zusammenhängenden Text bilden sollen. Er spielt mit der Form der Buchstaben, und diese Sichtweise mache das Werk besonders lebhaft, sagte Hünermann-Neuert….

Mannheimer Morgen, 18.09.2018

25 Künstler haben ihre Sprache gefunden

Ladenburg Kunstverein präsentiert im Domhof Ausstellung / Auswahl durch unabhängige Jury

Einen Überblick über die zeitgenössische Kunst im gesamten Südwesten gibt die Ausstellung „Ich habe meine Sprache gefunden“. 25 Künstler aus verschiedenen Sparten zeigen Werke die eine unabhängige Jury ausgewählt hat. Als „hochkarätig“ im Hinblick auf die beteiligten Künstler bezeichnet Wiebke Hünermann-Neuert, die Vorsitzende des gastgebenden Kunst-Vereins Ladenburg, diese Schau….

Rheinpfalz 4. Juli 2018

VON SIGRID FEESER

Schöne Buchstaben und malerische Ereignisse

Im Kultursommer öffnen die Künstler im ehemaligen TWL-Umspannwerk in Mundenheim ihre Ateliers

Das Atelier aufgeräumt, das Werkzeug ordentlich auf Habacht. Es ist mal wieder Kultursommer in Ludwigshafen und die Künstler öffnen ihre Ateliers für das Publikum. So auch im ehemaligen TWL-Umspannwerk am Mundenheimer Friedhof. Ein Besuch lohnt sich auch in diesem Jahr. Neues und Spannendes gibt es genug zu sehen…

…Wolfgang Vogel’s Druckwerkstatt ein paar Schritte weiter ist das stille Bijou im Atelierhaus. Buchdruck noch richtig mit Handsatz und Buchdruckfarben, auch Linol- oder Holzschnitte sind Nischenprodukte geworden, die Hingabe und Konzentration erfordern. Vogel beherrscht diese Kunst, deren Grundlagen er in Workshops gerne an interessierte Laien vermittelt (wieder am 18. und 19. August. Näheres unter www.slowtype.de).

An der Wand hängen mehrfarbige Drucke, die aus Holzschnitten aus Pappelsperrholz entstanden sind und auf raffiniert-ausgefeilte Weise Buchstaben unterschiedlicher Schrifttypen verfremdend, drehend, fragmentierend oder zerlegend durchspielen. „Typo-Formen“ nennt der Drucker diese der „schönen Form“ gewidmete Glasperlenspiele. Nicht jede Schrift gewinnt bei diesem Prozess. Dass die unterschiedlichen Antiquas ihre bildkünstlerische Befragung mühelos bestehen, das war nun allerdings zu erwarten.

Rheinpfalz 11. Juli 2017

VON SIGRID FEESER

Verunsicherte Welt, flammende Helden

Im Kultursommer öffnen wieder Alex Bär, Markus Stürmer, Ulrich Thul und Wolfgang Vogel ihre Ateliers im ehemaligen TWL-Umspannwerk

Ein heißer Samstagnachmittag, dennoch ist es überraschend erträglich in den Ateliers im ehemaligen TWL-Umspannwerk an der Raschigstraße. Offene Ateliers nennt sich die alljährlich zum Kultursommer wiederkehrende Veranstaltung. Diesmal mit dabei waren die Maler Alex Bär und Markus Stürmer, der Zeichner und Objektkünstler Ulrich Thul und Wolfgang Vogel, der im Untergeschoss eine Werkstatt für Druckgrafik eingerichtet hat….

Ein paar Schritte weiter die Druckwerkstatt von Wolfgang Vogel – ein Bijou für alle, die im Buchdruck auf den alten Handsatz nicht verzichten wollen. „Slowtype“ heißt die kleine Offizin, in der es weniger um die Entdeckung der Langsamkeit geht als um Sorgfalt, Perfektion im Ergebnis und bedingungslose Hingabe an die Sache. Die ausgestellten Bücher, Leporelli, Poster und experimentelle Typo-Grafiken sind echte Delikatessen, obwohl sie dieses vermutlich auf gar keinen Fall sein wollen.

Ein aktuelles Beispiel für Wolfgang Vogels stille Kunst ist die aus Holzschnitt, Text und Variationen über arabische Kalligrafie gestaltete Edition eines Gedichtes der tunesischen Schriftstellerin und Dichterin Najet Adouani, einer Berberin, die aus politischen Gründen heute im Exil in Deutschland leben muss.

Die Rheinpfalz 1.08.2015, Kultur Regional Ludwigshafen

Landschaftsbilder, Druckwerke und der Zustand der Welt

VON SIGRID FEESER

Die „Offenen Ateliers“ im TWL-Atelierhaus am Mundenheimer Friedhof sind so etwas wie ein fixer Termin im Ludwigshafener Kultursommer. Am heutigen Samstag zeigen Alex Bär, Markus Stürmer, Ulrich Thul und Wolfgang Vogel wieder einige ihrer jüngsten Produktionen….

…“Slowtype“, das klingt ein wenig nach Slowfood und Entschleunigung. Was ja auch stimmt: Drucken mit beweglichen Lettern ist eine langsame, auf Sorgfalt beruhende, wenn man will meditative Kunst. Der Drucker Wolfgang Vogel ist so ein leiser Arbeiter, der seine stillen Übungen in Workshops gern an Freunde des alten Handwerks weitergibt. So steht am 22.-23. August unter dem Motto „Handsatz und Buchdruck“ das Thema 470 Jahre Garamond-Antiqua auf seiner Agenda. Literarische Themen liegen nahe, der auf dem Einladungsflyer abgebildete Leporello zu Rilkes Panther-Gedicht inzeniert das perfekte Zusammenspiel von Typografie, Text, Inhalt und Bild….

Die Rheinpfalz 18.07.2014, Kultur Regional Ludwigshafen

Farbräume, Neruda-Texte, arkadische Szenarien

Offene Ateliers im alten TWL-Umspannwerk: Hausbesuche bei Alexander Bär, Markus Stürmer, Wolfgang Vogel und Maria Kropfitsch

VON SIGRID FEESER

Offene Ateliers im alten TWL-Umspannwerk: Hausbesuche bei Alexander Bär, Markus Stürmer, Wolfgang Vogel und Maria Kropfitsch
Getränke standen bereit, an Herzhaftem für dle Gäste fehlte es nicht. Fünf Künstler hatten ihre Ateliers im alten TWL-Unspannwerk am Mundenheimer Friedhof geöffnet, eine Woche nach ihren Kollegen Sonja Scherer und Armin Liebscher. Dass die fünf Nachzügler alles andere als Ersatzspieler sind, stand schon vorher fest. Entsprechend abwechslungsreich war die Begegnung mit fünf ganz unterschiedlichen künstIerischen Temperamenten. Aber schön der Reihe nach, der Rundgang folgt der Nummerierung der Ateliers. Alexander Bär aus Nummer 1 ist einem gleich sympathisch mit seinem Zürcher Akzent, dort kommt er her und dort hat der Maler sein zweites Standbein. Der Wanderer zwischen Gegenstand und Abstraktion kommt aus einer Künstlerfamilie. Offensichtlich hat er die Ruhe weg, so Iange Lehr- und Wanderjahre gönnt sich eigentlich nur einer, der die Richtung kennt.
1997 zog es den 30-Jährigen (die bis dahin absolvierten Ausbildungs- und Arbeitsjahre schenken wir uns) nach Osten, zu Arno Rink und Neo Rauch an die Hochschule für Grafik und Buchkunst nach Leipzig, dann zum Aufbaustudium nach Giebichenstein. Jetzt also Ludwigshafen, die Gründe sind privater Natur, denn eigentlich gehört der Maler mit dem Hang zu klassischen Themen (Maler und Modell, arkadische Szenen), mächtigen Bildformaten und oft überlangen Inkubationszeiten (bis zu zwei Jahre für ein Bild) in den rauen Wind der Kunstmetropolen. Es ist eine sehr reife, um ihre Mittel und Möglichkeiten hoch bewusste Malerei, die sich sich nicht scheut, sich handwerklich reflektiert an klassischen Themen abzuarbeiten, ohne sich ihnen auszuliefern. Man merkt die Leipziger Klaue, schön, dass sie Bärs eigene geworden ist am Ende.
Nebenan in Nummer 2 hat Markus Stürmer sein Atelier. Die Formate seiner Bilder sind zurückgenommen, eher handlich, die Farben kräftig. mit einem entschlossenen Hang zum lebhaft Bunten. Der aus Gleisweiler in der Südpfalz gebürtige Maler nimmt seine Ausbildungszeiten ziemlich locker, schätzt sich, es mag ein wenig Tarnung mit im Spiel sein, eher autodidaktisch ein, wofür seine originelie Vorgehensweise spricht.
Gemalt wird gewissermaßen im Dreischritt, erst kommen Landschaften, darauf folgen dem Jazz geschuldete gegenstandsfreie Stillleben, auf diese lässt er als Königsklasse die Porträts folgen, auch historisch nachgereichte, wie das von Alfred Flechtheim, dem großen Kunsthändler der Weimarer Republik, dem Otto Dix ein berühmtes Bildnis widmete. Dem kann man folgen und dem Maler ein gewisses Maß an Heiterkeit und Gelassenheit zuordnen. Markus Stürmer jedenfalls weiß was er will.
Zu Ulrich Thul, Wolfgang Vogel und Maria Kropfitsch muss man die Treppe hinunter ins Untergeschoss. Licht ist trotzdem da, auch wenn der Ausblick ins Freie fehlt. Macht nix, hört man, wäre mit den großen Atelierfenstern oben auch zu heiß. Konzentrationsfördernd sind die hochliegenden Fenster sowieso. ,,Nichts vertuschen“, mahnt Ulrich Thul, was wir als Hinweis auf seine Stärke lesen, nämlich die exzellenten Tuschezeichnungen, auf denen es frei assoziativ zugeht, manchmal tagebuchartig intim, immer interessant. Dazu gibt es Multimediamalereien, dicht bevölkerte, vom Horror Vacui angetriebene Bildgeschichten, die ein bisschen nach der Art brut schielen, das gibt ihnen ein leicht pfeffriges Aroma. Verspielt-böse – oder bös verspielte – Kleinobjekte runden den Atelierbestand ab. Auf einem Brett sitzen ein Haken und ein Kreuz, Atelierabfälle in Gläsern werden verkauft, eine Giraffe kotzt – wir erkennen den lroniker, der mit beiden Beinen auf dem Boden der bösen Tatsachen steht.
In Atelier 11 finden wir Wolfgang Vogel, der gelernter Schriftsetzer ist, also zu den eher stillen Arbeitern im Weinberg der Künste zählt Die Druckwerkstatt ist sauber aufgeräumt. Das gehört sich so für einen, der mit alten Blei- und Holzlettern, auch Linol- und Holzschnitt handwerklich arbeitet und die feinsten Text-Bild-Mappenwerke herstellt. Ausgewählte Texte von Peter Weiss und Pablo Neruda stehen für den hohen Anspruch von Wolfgang Vogels zwischen Experiment und altem Handwerk vermittelnder Kunst, die um marktgängige Lautstärken einen großen Bogen macht.
Ganz hinten im Gang bei Maria Kropfitsch in Nummer 9 ist es so richtig clean aufgeräumt, eine gewisse Scheu beim Eintreten ist die Folge. Die Faber-Castell-Bleistifte auf dem Arbeitstisch liegen sortiert. ,,lch arbeite eher assoziativ“, sagt die in Germersheim aufgewachsene Künstlerin, auch so eine der Leisen im Lande. Ein aus Haar geflochtenes Oval sehen wir da an der Wand, einen abgeschnittenen Zopf aus feinem Schleifpapier herausgearbeitete informelle Farbräume, auf dem Boden ein Häslein in der (Fell-) Grube. Mit Tempera auf Holz gemalte Figuren gleichen eher kleinen Objekten. Gegenstände in Farbräumen zu erproben war das Thema von Maria Kropfitsch. Jetzt sind die kleinen Objekte dran, leicht zu übersehen, wenn man nicht aufpasst, wie mancher Gast das tat.

Die Rheinpfalz 19.09.2011, Kultur Regional Ludwigshafen

Die Liebe zu den Buchstaben

Galerie Eleonore Wilhelm stellt typografische Arbeiten des Ludwigshafener Künstlers und Schriftsetzers Wolfgang Vogel aus

Wolfgang Vogel stellt seine typografischen Kunstwerke schon eine ganze Weile her, hatte aber noch nie eine Ausstellung. Die Galerie Eleonore Wilhelm zeigt jetzt erstmals unter dem Titel “Der typografische Ton des gedruckten Wortes” Arbeiten des Ludwigshafener Künstlers.
Die größten und damit auffälligsten Arbeiten der Ausstellung sind drei 3,50 Meter hohe und 90 Zentimeter breite Fahnen. Auf ihnen sind Buchstaben verteilt, ohne dass sie zusammen einen Sinn ergeben würden. Solche Buchstabenkombinationen in den Farben Schwarz und Rot finden Sich immer wieder auf den anderen Arbeiten Wolfgang Vogels. Etliche setzen die Ode an die Typografie des chilenischen Schriftstellers Pablo Neruda ins Bild “Liebste”, steht da etwa ganz groß und rot, “ich liebe / die Buchstaben / deines Haares” fett und schwarz in den nächsten Zeilen. Dann folgt klein und dünn und nur die einzeln stehenden Buchstaben fett hervorgehoben: “das / U / deines Blicks, das / S / deines Taillenschwungs” und so weiter. Vogel hat bei der pfälzischen Verlagsanstalt in Landau von 1971 bis 1974 den Beruf des Schriftsetzers gelernt. Mit Bleisatz hat er begonnen, zum Bleisatz ist der Mitfünfziger zurückgekehrt. Dazwischen lagen Anpassungen an den technischen Wandel: Handsatz, Offsetdruck und schließlich der Computer, mit dem der Grafiker und Buchgestalter seine Arbeit verrichtet. Als Mitarbeiter des Landesmuseums für Technik und Arbeit in Mannheim, heute Technoseum, hatte Vogel aber immer noch Zugang zum alten Bleisatz, bis er sich selbst eine Druckmaschine zugelegt hat. Seine Drucke erscheinen in geringen Auflagen. Elf Exemplare gibt es von Nerudas elfteiliger “Ode an die Typografie”.
Die höchste Auflage von den ausgestellten Arbeiten hat mit 39 Exemplaren ein Druck nach Peter Weiss‘ “Die Ästhetik des Widerstands”. In der Mitte des Triptychons steht ein in mehrere Spalten gesetzter Auszug aus dem Roman, der so abrupt wieder abbricht, wie er begonnen hat. Links flankiert das Mittelstück ein Holzdruck, rechts etliche so übereinandergeschichtete Drucke, dass sie sich zu einem unleserlichen Buchstabenbrei vermengen.
20 Exemplare ist die Auflagenhöhe der Drucke mit Volker Brauns Bearbeitung von Platons Höhlengleichnis und Wolfgang Vogels Buchstaben- und Zeichenkombinationen dazu. Um Unikate handelt es sich schließlich bei drei Bildern mit dem Titel “Seefahrende Typografie”. Hier läßt der Druckkünstler Segelboote, wie sie auch schon im Nerudazyklus vorkamen, Buchstaben transportieren. Nur auf diesen Bildern verläßt Vogel die Festlegung auf die Farben Rot und Schwarz und erweitert die Palette um Blau, Weiß und Gelb. Zugleich lassen die drei Bilder am deutlichsten die Orientierung am russischen Konstruktivismus und an Vorbildern wie El Lissitzky, Rodtschenko, Tatlin und Malewitsch erkennen. Ihretwegen hat sich Wolfgang Vogel 1989 längere Zeit in Moskau aufgehalten.
Am 1. Oktober zeigt Eleonore Wilhelm begleitend zur Ausstellung zwei Filme: den Dokumentarfilm “Schrift ist ein Abenteuer”, der 2005 in der Imprimerie Nationale, der französischen Staatsdruckerei in Paris, gedreht wurde, und “Zwiebelfische, Jimmy Ernst, Glückstadt-New York”. Der Film erzählt die Geschichte des Sohnes von Max Ernst mit der jüdischen Kunsthistorikerin Lou Strauss, Hans-Ulrich Ernst, der 1935 in der Druckerei Augustin in Glückstadt eine Schriftsetzerlehre begann und 1938 in die USA auswanderte. (huf)